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Aufklärung für Kinderwunsch-Kinder

Familien sind so individuell wie das Leben selbst. Keine Geschichte gleicht der anderen und so sind auch die Wege zum Wunschkind von Paar zu Paar unterschiedlich. Eltern, die ihre Kinder mit Hilfe von medizinischer Unterstützung in die Welt gesetzt haben, blicken wohl auf einen längeren Weg zurück und sind im Familien- und auch im sozialen Leben mit vielen Fragezeichen konfrontiert. Eine der wichtigsten Fragen, die sich oft schon während des künstlichen Befruchtungsprozesses stellt, ist die, ob man denn mit dem Kind darüber sprechen sollte und wenn ja, wie. Warum Aufklärung für Kinderwunsch-Kinder wichtig ist, ab wann man Kinder miteinbeziehen kann und wie kindgerechte Beschreibungen helfen, das alles gibt es hier nachzulesen.

Wie erzählt man von der künstlichen Befruchtung?

Wer seine Kinder darüber aufklären möchte, wie sie den Weg in die Familie gefunden haben, sollte vorerst bei der allgemeinen Aufklärung ansetzen. Schließlich hat der Nachwuchs bis zu einem gewissen Alter noch keine Idee davon, wie Babys entstehen. Eltern können also damit beginnen zu erklären, wie Kinder gezeugt werden. Dabei sollte man darauf achten, die Abläufe möglichst kindgerecht und einfach zu erklären, komplexe Erklärungen rund um Sexualität und Fortpflanzung würden nur zur Überforderung führen.

Je nach Alter des Kindes empfiehlt es sich, über die grundsätzlichen körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau zu sprechen. Dazu können Eltern gerne ein Kinderbuch zur Hilfe nehmen. Illustrationen und Geschichten unterstützen Kinder dabei zu begreifen und körperliche Vorgänge zu verstehen. Eltern können über Fortpflanzungsorgane sprechen und darüber, dass sie irgendwann entscheiden, gemeinsam eine Familie gründen zu wollen und welche Rolle Ei- und Samenzelle dabei spielen.

Für Kinder, die mit medizinischer Hilfe entstanden sind, ist es wichtig zu verstehen, dass sie genauso natürlich und willkommen sind wie alle anderen Kinder auch. Lediglich bei ihrer Zeugung haben Mama, Papa und Ärzt*innen der Natur ein wenig auf die Sprünge helfen müssen. Idealerweise erzählen die Eltern einfach ihre Geschichte. Schließlich sind Reproduktionsprozesse mitunter anstrengende Phasen, die mit vielen Gefühlen einhergehen. Hoffnung, Trauer, Freude, Verzweiflung, Sorge und Dankbarkeit wechseln sich ab, Eltern nehmen viel auf sich, um ihr lang ersehntes Kinderwunschbaby in den Armen halten zu können.

Tipp: Es lohnt sich, sich bereits während der künstlichen Befruchtung damit auseinandersetzen, ob und wie ihr eurem Kind mitteilen möchtet, dass es auf künstlichem Weg entstanden ist. Holt euch Unterstützung und Begleitung von einer*m Kinderwunschexpert*in oder Psycholog*in. Je mehr Klarheit ihr bereits im Vorfeld schaffen könnt, desto entspannter wird euch der Umgang damit gelingen, wenn das Baby auf der Welt ist.

Der richtige Zeitpunkt

An der Universität Cambridge wurde eine Langzeitstudie mit Familien durchgeführt, die ihre Kinder per Samen- oder Eizellenspende oder Leihmutterschaft bekommen haben. Ein Forscher*innen-Team hat die insgesamt 65 Teilnehmerfamilien über mehrere Jahre hinweg beobachtet und immer wieder mit ihnen gesprochen. Ein Fokus lag darin herauszufinden, wann Kinder über ihre Herkunft aufgeklärt wurden und welche Auswirkungen auf ihr Heranwachsen festgestellt werden konnten.

Der Großteil aller Eltern spricht mit ihrem Kind noch vor dem Schulalter darüber, dass es mit medizinischer Hilfe den Weg in die Familie gefunden hat. Eine Aufklärung zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensjahr entspricht auch den Empfehlungen von Entwicklungsexpert*innen. In diesem Alter können Kinder Informationen spielerisch verarbeiten. Sie gehen selbstverständlicher damit um und sie fühlen sich wohl, eben, weil die Eltern offen mit ihnen umgehen und nichts verheimlichen. Findet die Aufklärung von IVF-Kindern wesentlich später, also in der Pubertät statt, könnte sich das möglicherweise negativ auf das Vertrauensverhältnis und die Eltern-Kind-Bindung auswirken. Letztlich handelt es sich hier um Empfehlungen – wann der richtige Zeitpunkt ist, um mit dem Kind über die IVF zu sprechen, dürfen und sollen Eltern individuell entscheiden.

Tipp: Bei Unsicherheiten nicht zögern und professionelle Beratung/Unterstützung einholen.

Mit dem Thema offen umgehen

Während es in den Anfängen der Reproduktionsmedizin in den 1970er- Jahren noch wenige Paare gab, die medizinische Hilfe in Anspruch genommen und dann auch darüber gesprochen haben, ist sie mittlerweile in der gesellschaftlichen Normalität angekommen. Können Paare nicht auf natürlichem Weg schwanger werden, stehen ihnen zahlreiche Möglichkeiten offen, wie sie doch zu ihrem Wunschbaby kommen können. Der Weg dorthin ist manchmal kurz, manchmal sehr mühsam und aufreibend. Samenspende, Eizellenspende, IVF (In-vitro-Fertilisation), Spermieninjektion oder Insemination sind glücklicherweise keine Tabuthemen mehr. Für Eltern ist das eine riesengroße Erleichterung und auch für Kinder, die in der Kinderwunschklinik entstanden sind. Wenn eine Familie den Reproduktionsprozess durchlaufen hat, ist das jedenfalls kein Grund, sich zu schämen. Es bedeutet auch nicht, dass IVF-Kinder irgendwie „anders“ wären. Sie sind genauso Wunschkinder wie alle anderen auch, lediglich der Weg dorthin war für die werdenden Eltern etwas komplizierter.

Wie kam es jedoch zu der Tabuisierung des Themas? Lange Zeit haben Mediziner*innen, die künstliche Befruchtungen durchgeführt haben, den Eltern geraten, ihren Kindern gewissermaßen zu verheimlichen, wie sie denn tatsächlich entstanden sind. Für Eltern war das ein Drahtseilakt – schließlich bedeutete es, mit beinahe niemandem drüber zu sprechen, damit die Information nicht auf Umwege doch zu den Kindern gelangt.

Die steigende Zahl an Paaren, die Reproduktionsmedizin in Anspruch nimmt, führte jedoch über die Zeit zu einem Umdenken. Allein in Österreich wurden 2021 laut IVF-Zentren 12.218 IVF‐Fonds‐Versuche bei 7.609 Eltern mit Kinderwunsch durchgeführt. Die Schwangerschaftsrate lag laut österreichischem IVF Jahresbericht bei 22,2 % pro Follikelpunktion. Wenn man es vom Standpunkt der Familiengründung aus betrachtet, starten Kinderwunsch-Kinder und auf natürlichem Weg gezeugte Kinder mit den gleichen Voraussetzungen ins Leben. Die Eltern lieben sich und möchten gemeinsam eine Familie gründen, ist schon ein Kind da, wünschen sie sich vielleicht ein Geschwisterchen. Wenn es so nicht klappt, leben wir glücklicherweise in einer Zeit, in der medizinische Unterstützung auf dem Weg zum Wunschkind möglich ist.

Tipp: Je offener Eltern damit umgehen, desto besser für das Kind. Es gibt bislang keine nachgewiesenen negativen psychosozialen Effekte, unter denen IVF-Wunschkinder leiden. Ein natürlicher, selbstverständlicher und liebevoller Umgang mit dem Thema und eine frühzeitige Aufklärung sind der Schlüssel zum Wohlbefinden von Kindern und Eltern. Bei Bedarf sollen auch Kindergartenpädagog*innen, Tagesmütter* und andere Bezugspersonen des Kindes informiert werden!

Unterstützung von Expert*innen und Bilderbüchern

Für betroffene Familien ist es ganz wichtig zu wissen, dass sie nicht alleine mit dem Thema sind. Viele Eltern in der gleichen Situation stellen sich exakt die gleichen Fragen: Wie sagen wir es unserem Kind? Wann sagen wir es? Wirkt sich das negativ auf unsere Bindung aus? Wir haben noch ein paar Tipps, wie man diesen und ähnlichen Unsicherheiten entgegenwirken kann:

  1. Sich bereits während der künstlichen Befruchtung immer wieder mit den behandelnden Ärzt*innen abstimmen und aufklären lassen. Je besser Eltern selbst verstehen, welche Prozesse durchlaufen werden müssen, desto „natürlicher“ können sie es später ihren Kindern erklären.
  2. Gespräche und Hilfestellung bei Psycholog*innen, Pädagog*innen oder Kinderwunschcoaches
  3. Bilderbücher, Sachbilderbücher, Aufklärungs- und Erklärbücher zu Hand nehmen, die sich mit diesem speziellen Thema beschäftigen, z. B. „Von Wunschkindern und Glücksboten“, „Unser allerliebstes Geschenk“, „Unsere Regenbogenfamilie - Für Babies braucht es Liebe“ von Julia König.
  4. Sich mit Eltern austauschen, die in der gleichen Situation sind und/oder eine Selbsthilfegruppe zum Thema besuchen.
  5. Mit Freund*innen, Familie und Vertrauenspersonen

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