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KiSS-Syndrom
Das KiSS-Syndrom hat trotz der irreführenden Bezeichnung nichts mit dem englischen Wort für Kuss zu tun. Die Abkürzung KiSS steht für Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung und beschreibt Steuerungsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule, die bei Säuglingen und Kleinkindern auftreten und ohne Behandlung selbst bei Schulkindern und Erwachsenen noch Beschwerden hervorrufen können.
Die auffälligsten und am häufigsten auftretenden Auswirkungen des KiSS-Syndroms sind ein „schiefer“ Hals, eine Durchbiegung der Wirbelsäule, Ungleichheiten im Gesicht und die unterschiedliche Benutzung von Armen und Beinen. Rund acht Prozent der Bevölkerung leiden unter dem KiSS-Syndrom, so der deutsche Arzt Dr. Lutz Erik Koch, der auf manuelle Therapie und damit unter anderem auf die Behandlung des KiSS-Syndrom spezialisiert ist. Weniger als ein Prozent jener, die eine Therapie bräuchten, werden tatsächlich behandelt werden, sagt der Mediziner.
Wodurch wird das KiSS-Syndrom hervorgerufen?
Wie der Name schon sagt, liegt eine Störung im Bereich der Kopfgelenke vor, die sich an der oberen Wirbelsäule befinden. Die Kopfgelenke bestehen aus dem ersten und zweiten Halswirbel, den Gelenken zwischen diesen Wirbeln sowie der Gelenkverbindung zur Schädelbasis. Vereinfacht gesagt, verbinden sie die Wirbelsäule und den Schädel und sind unter anderem für die Raumwahrnehmung sowie für Bewegung und Gleichgewicht des Körpers wichtig.
Eine Störung im Bereich der Kopfgelenke kann bei Säuglingen und Kleinkindern verschiedene Ursachen haben:
- lang andauernde oder schwierige Zangen- oder Saugglockengeburt
- Notfallkaiserschnitt
- Schieflagen des ungeborenen Kindes im Mutterleib
- Zwillings- oder Mehrlingsgeburten
- sehr schnelle Geburt
- Geburtsgewicht über vier Kilogramm
Diese Umstände können allesamt die Kopfgelenke des Säuglings stark belasten, sodass deren Stellung beeinträchtigt und damit zu Zwangshaltungen führen kann, erklärt die Internationale Selbsthilfegruppe im Internet, Kiss-Kid.de.
Wie erkenne ich, ob mein Kind am KiSS-Syndrom leidet?
Zu erkennen, ob das eigene Kind am KiSS-Syndrom leidet, ist für Eltern nicht immer einfach, da es unterschiedliche Auswirkungen haben kann. In erster Linie fallen Ungleichheiten am Körper, der Körperhaltung oder den Bewegungen des Säuglings bzw. Kleinkinds auf. Das deutlichste Merkmal – ein schiefer Hals - muss dabei nicht unbedingt vorhanden sein, im Gegenteil, der Hals kann auch gerade aussehen und erst ein Röntgen und weitere körperliche Untersuchungen zeigen das KiSS-Syndrom auf.
Anhand der Symptome kann eine Unterscheidung in KiSS I und KiSS II vorgenommen werden, wobei die Symptomatik nicht immer klar trennbar ist, sondern auch vermischt auftreten kann. Mit KiSS I bezeichnen Mediziner jene Form, bei der die Haltung der Säuglinge beim Liegen oder Sitzen in eine Richtung geneigt ist – ähnlich einem C. Meistens ist der Kopf in eine Blickrichtung (links oder rechts) geneigt. Durch die einseitige Belastung des Kopfs während dem Liegen kann es aufgrund des noch weichen Schädels bei Säuglingen zu einer seitlich platteren Kopfform kommen. Dies führt zum Teil zu einer Gesichtsasymmetrie – die der Blickrichtung entgegengesetzte Gesichtshälfte wirkt dann etwas kleiner als die andere.
KiSS II ist durch ein starkes Überdehnen der Halswirbelsäule nach hinten gekennzeichnet, das Kind streckt seinen Kopf also nach rückwärts. Durch den in der Rückenlage ausgeübten Druck auf den Hinterkopf kann ein haarloser Fleck an der Druckstelle und eine Abplattung des Schädels entstehen, erklärt der Facharzt Dr. Robby Sacher auf seiner Webseite kissinfo.de.
Weitere KiSS-Symptome können eine schiefe Haltung des Kopfs, einseitige Fußfehlstellungen, Trink- oder Schlafstörungen, Schluckschwierigkeiten oder Dreimonatskoliken sein. Betroffene Kinder spucken oder sabbern vielleicht besonders viel, reißen an den eigenen Haaren oder schlagen sich auf den Kopf bzw. den Kopf etwa gegen das Gitterbett. Kinder, die am KiSS-Syndrom leiden, weisen oft auch Druckempfindlichkeit im Nackenbereich auf – versuchen Eltern das Köpfchen vorsichtig zu drehen, löst das oft lauten Protest aus.
Wie wird das KiSS-Syndrom behandelt?
Wenn Eltern eine schiefe Kopfhaltung ihres Kindes oder andere Besonderheiten in Grob- und Feinmotorik über einen längeren Zeitraum auffallen, sollten sie einen auf die Behandlung des KiSS-Syndroms spezialisierten Arzt aufsuchen. Andere mögliche Ursachen bzw. Erkrankungen sollten möglichst vorab durch Untersuchungen beim Kinder- oder Facharzt ausgeschlossen werden. Denn nicht immer weisen ein schiefer Hals oder andere Haltungsauffälligkeiten auf das KiSS-Syndrom hin, andere Gründe könnten dahinter stecken, die ebenfalls abgeklärt werden müssen.
Der Arzt wird bei Verdacht auf das KiSS-Syndrom erst die Krankengeschichte des Kindes aufnehmen und unter anderem nach Details oder Problemen während der Geburt fragen. Neben einer körperlichen Untersuchung wird ein Röntgen der Halswirbelsäule durchgeführt.
Wird das KiSS-Syndrom diagnostiziert, wendet der ausgebildete Facharzt eine manuelle Therapie an, um die Störung im Bereich der Halswirbelsäule zu beheben, wobei dazu es mehrere Techniken gibt. Prinzipiell wird mittels sanftem Impulsdruck versucht, die Fehlstellungen zu beheben. Weil die Wirbelfehlstellung gerade bei Säuglingen noch nicht so fixiert ist wie bei älteren Kindern oder Erwachsenen, ist bei früher Erkennung kein starker Krafteinsatz oder gar ein Verdrehen der Wirbelsäule oder des Kopfes notwendig.
Die Behandlung ist deshalb weitgehend schmerzfrei, wie die Selbsthilfegruppe Kiss-Kid betont, schon aufgrund der Druckempfindlichkeit können Kinder währenddessen jedoch unruhig werden oder schreien. Oft kann nach der Behandlung bereits eine Besserung der Beschwerden erkennbar sein. Wann die Wirkung sichtbar anschlägt, kann jedoch von Patient zu Patient unterschiedlich ausfallen und zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen dauern. Laut Dr. Koch genügt bei zwei Dritteln der betroffenen Kinder eine einzelne Behandlung, um Erfolg zu erzielen oder zumindest weitere Maßnahmen wie Krankengymnastik zu erleichtern. Eine Verformung des Kopfs kann sich bei frühzeitiger Behandlung innerhalb eines Jahres wieder normalisieren.
In den ersten Wochen nach der Behandlung sollte der kleine Körper nicht durch andere Maßnahmen oder Therapien belastet werden, sodass er sich auf die Veränderung im Bereich der Kopfgelenke einstellen kann. Vor allem bei starken Ungleichheiten können weitere Behandlungen, anschließende Physiotherapie oder andere Therapien notwendig sein. Eine erneute Kontrolle nach der ersten Behandlung wird in jedem Fall empfohlen, bei dieser werden die weitere Vorgehensweise und Kontrollen in späteren Jahren besprochen. Kurze Rückfälle sind etwa bei Wachstumsschüben möglich. Ein Arzt muss aber nur dann aufgesucht werden, wenn die Auffälligkeiten länger als ein bis zwei Wochen andauern.
Behandlung verhindert Spätfolgen
Ohne richtige Behandlung versucht das betroffene Kind, die Ungleichheiten selbst zu kompensieren, was einigen besser und anderen schlechter gelingt. In der Regel verschwindet die KiSS-Symptomatik aber nicht von selbst. Dadurch bedingte Störungen der Grob- oder Feinmotorik können erst in späteren Jahren auftreten und weitere Beschwerden mit sich bringen. Folgen des nicht behandelten KiSS-Syndroms werden auch KiD-Syndrom genannt (Kopfgelenk-induzierte Dysfunktionen), die vor allem Wahrnehmungsstörungen oder Probleme bei der Durchführung bestimmter Bewegungen umfassen.
Bei Kindern, deren Fehlstellungen nicht diagnostiziert oder richtig behandelt wurden, können unter anderem Konzentrationsstörungen, Lernschwächen, Koordinationsschwierigkeiten, Störungen der Sprachentwicklung, Schlafstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten auftreten. Selbst Erwachsene können Beschwerden aufgrund eines nicht behandelten KiSS-Syndroms spüren, dazu zählen etwa chronische Rückenschmerzen, Migräne, Schwindel, Tinitus, Bandscheibenvorfälle oder Haltungsstörungen.
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Kommentar von Jan Kleinmann |
Das Problem ist, dass es keine sauberen Studien zu dem angeblichen KiSS-Syndrom gibt. In den 90er-Jahren "entdeckt" und seitdem propagiert, ist es eine lukrative Grundlage vieler Osteopathen. Wissenschaftliche Auseinandersetzung - Fehlanzeige. Die neurolädpatrische Fachgeschäft warnt vor Manipulationen an der Halswirbelsäule von Neugeborenen und Säuglingen. Es werden unnötige Röntgenbilder angefertigt, dabei handelt es sich bei den meisten "Störungen" um selbstlimitierende Verspannungen oder Verschiebungen daher "wirkt" die Osteopathie ja auch nach Wochen oft. Das Gedankenkonstrukt mit "Schwingungen" von Gehirn und Wirbelsäule, die beeinflusst werden sollen, ist ein Unsinn dieser Paramedizin.
Kommentar von Maxi |
Hi! Ich bin auf der Suche nach Studien und interessanter Literatur zu dem Thema KISS Kinder mit der Spätfolge idiopathische Skoliose. Ich schreibe dazu gerade meine Bachelorarbeit und benötige bei der Recherche Hilfe. Kenn jemand etwas was mir weiterhelfen könnte?
Kommentar von pamela |
Hallo! Ich habe eine Tochter die heute 2 Jahre alt ist.
Im Säuglingsalter als Sie 6 Wochen war, wurde das Kiss syndrom festgestellt. Waren daraufhin viel in behandlung......unter anderm zum einrängen. Zur Schicherheit auch ein zweites mal wo nichts mehr aufzufallen wahr. Jetzt fällt mir auf,dass Sie dazu neigt hin zu fallen und sich nicht immer abfängt und böse auf den Kopf fällt. Kann es sein das es wieder anzeichen für ausregungen oder allgemein das Kiss wieder auftritt?