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Linkshändigkeit

Obwohl Linkshändigkeit heute nicht mehr als Makel gilt, brauchen linkshändige Kinder viel Unterstützung, um sich in unserer rechtshändigen Welt zu behaupten. Eltern sollten aufmerksam auf die besonderen Bedürfnisse von Linkshändern eingehen und sich sorgfältig informieren.

Hintergrund

Linkshändigkeit ist angeboren und hat ihre Ursache im Gehirn. Wird die rechte Gehirnhälfte dominant gebraucht, ist ein Mensch ein Linkshänder, im umgekehrten Fall ein Rechtshänder. Im Kleinkindalter benutzen alle Menschen beide Hände in der Regel gleich oft und gleich gut. Erst in den Entwicklungsjahren zwischen zwei bis sechs kristallisiert sich die Bevorzugung einer Hand heraus. Etwa 25-30% der Menschen sind Linkshänder, wobei der Grad der Linkshändigkeit sehr unterschiedlich sein kann: Manche Menschen bevorzugen ganz klar die linke Hand, bei anderen ist die Präferenz weniger ausgeprägt und kann sogar an Beidhändigkeit grenzen.

Umerziehung und versehentliche Umerziehung

In unserer Gesellschaft galt Linkshändigkeit lange Zeit als verpönt. Linkshänder wurden daher von Eltern und Lehrern zu Rechtshändern umerzogen. Die Folgen solcher Umschulungen gelten heute als äußerst schädlich. Sie können physischer und/oder psychischer Art sein und beispielsweise Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen oder Legasthenie hervorrufen. Aus diesem Grund sollten Eltern ihren Kindern auf keinen Fall die Linkshändigkeit abtrainieren!

Leider kommt es aber nachwievor oft zu einer versehentlichen Umerziehung linkshändiger Kinder. Bemerken die Eltern die Linkshändigkeit ihres Kindes nicht, behandeln sie es meist automatisch wie einen Rechtshänder - auch eine scheinbar handneutrale Behandlung ist in unserer rechtshändigen Welt meist die Erziehung zu einem Rechtshänder. Eltern brauchen daher viel Wissen und Einfühlungsvermögen, um auf die besonderen Bedürfnisse ihres (vielleicht) linkshändigen Kindes eingehen zu können. Hinzu kommt, dass nicht wenige Kinder sich selbst umerziehen, indem sie beispielsweise ihre rechtshändigen Eltern kopieren oder aus Angst vor Andersartigkeit den rechtshändigen Freunden nacheifern. Die Folgen solcher unbeabsichtigter Umerziehungen sind leider nicht weniger fatal als die einer absichtlichen Umschulung.

Linkshändigkeit in der Schule

Insbesondere in der Schule ist die Gefahr einer unbeabsichtigten Umschulung von linkshändigen Kindern sehr hoch. Oftmals bemerken Lehrer die Linkshändigkeit eines Kindes nicht und behandeln es deshalb automatisch wie einen Rechtshänder. Auch sind viele Pädagogen für die besonderen Bedürfnisse von linkshändigen Kindern nicht ausreichend geschult – in Folge können sie die Linkshänder nicht genügend unterstützen.

Eine besondere Herausforderung für linkshändige Schulkinder ist das Schreiben lernen. Unsere Schrift ist auf Rechtshänder ausgerichtet und geht daher von links nach rechts. Schreibt ein Kind mit der linken Hand, kann es die eben geschriebenen Buchstaben nicht sehen, visuell daran anknüpfen und neigt dazu, die Tinte zu verwischen. Linkshändige Kinder müssen daher eine besondere Schreibtechnik erlernen anstatt die rechtshändige Stifthaltung zu spiegeln. So empfiehlt es sich, rechts vom Blatt zu sitzen, das Blatt nach rechts zu neigen und die Hand unterhalb der Zeile zu positionieren. Mit Hilfe solcher Anleitungen können Linkshänder genauso gut und schön schreiben erlernen wie dies Rechtshänder tun. Erhält ein Kind keine Linkshänder-spezifische Unterweisung, wird es allerdings versuchen die beschriebenen Probleme auf seine Weise zu lösen und möglicherweise Fehlhaltungen der Hand entwickeln. Eine wahrscheinliche Folge ist dann beispielsweise eine verkrampfte Hakenhaltung, die durch das Schreiben von oberhalb der Zeile entsteht.

Es ist daher wichtig, dass die Händigkeit des Kindes spätestens zu Schulbeginn abgeklärt ist. Sind die Eltern unsicher, beispielsweise weil das Kind beide Hände noch gleich oft verwendet, sollte der Kinderarzt die Händigkeit ermitteln. Optimalerweise wird das linkshändige Kind schon von den ersten Schreibversuchen an auf die richtige Linkshänder-Schreibtechnik hingewiesen. Eltern können sich hierüber in Büchern informieren. In manchen Städten werden auch spezielle Schreib-Vorbereitungs-Kurse für Linkshänder angeboten. Auch ist es ratsam, die Lehrer über die Linkshändigkeit des Kindes informieren – sonst gehen wenig dominante Kinder schnell unter. Kennen die Lehrer sich nicht ausreichend mit den speziellen Bedürfnissen von Linkshändern aus, sollten Eltern sich nicht scheuen ihr Wissen mit den Pädagogen zu teilen.

Besondere Vorsicht sollten Eltern walten lassen, deren Kind eine Waldorfschule besucht oder besuchen soll. Gilt doch Linkshändigkeit der ursprünglichen Waldorf-Pädagogik nach als karmisches Problem, das durch Umerziehung zum Rechtshänder behoben wird. Daher ist es empfehlenswert abzuklären, wie der jeweilige Waldorf-Lehrer mit Linkshändigkeit umgeht.

Tipps für Eltern

    Die folgenden Ratschläge sind hilfreich für Eltern, deren Kinder linkshändig veranlagt sind oder noch keine Präferenz für eine Hand zeigen.
  • Den Löffel für Kleinkinder immer in die Mitte des Tellers legen. Wird er rechts oder links platziert, greift das Kind meist automatisch mit der naheliegenden Hand danach und unterdrückt so vielleicht seine Händigkeit.
  • Aus demselben Grund möglichst Spielzeug das mit beiden Händen gleich gut greifbar ist zur Verfügung stellen. Vorsicht bei der Bezeichnung ‚ergonomisch geformt‘: Diese bezieht sich fast immer auf Rechtshänder und drängt das Kind daher zu einer rechten Händigkeit.
  • Dem Kind Spielzeug nicht in eine bestimmte Hand legen, sondern versuchen es mittig reichen.
  • Keine Kinderzahnbürsten mit Motiven kaufen, die bei Verwendung mit der linken Hand auf dem Kopf stehen.
  • Kleine Kinder ruhig zur Begrüßung die linke statt die rechte Hand geben lassen. Das Kind hat in seinem späteren Leben noch genug Zeit, diese Höflichkeitsform zu erlernen – jetzt geht zunächst die ungestörte Entdeckung der Händigkeit vor.
  • Dasselbe gilt für das Halten des Bestecks.
  • Linkshänder sollten links außen an einem Tisch sitzen, damit sie rechtshändige Tischnachbarn nicht stören. Das gilt insbesondere für die Schule. Beim Schreiben kommt der Lichteinfall für Linkshänder idealerweise von rechts.
  • Auf die eigene Wortwahl achten: Wird oft von ‚linkisch‘ oder ‚linken‘ gesprochen, wird das Kind Linkshändigkeit vielleicht negativ besetzen. Keinesfalls die rechte Hand als ‚richtige Hand‘ oder ‚schöne Hand‘ bezeichnen.
  • Das Kind mit speziellen Produkten für Linkshänder, wie beispielsweise einer Schere, einem Füllfederhalter, einem Bleistiftspitzer oder Musikinstrumenten versorgen. Beim Durchblättern der Kataloge von Linkshänder-Geschäften fällt oft erst auf, wie viele Alltags-Gegenstände für Rechtshänder konzipiert sind.
  • Dem Kind bestimmte Handgriffe, wie das Binden einer Schleife, möglichst mit links zeigen. Fällt den Eltern dies schwer, positionieren sie sich am besten gegenüber dem Kind, so dass dieses die Bewegungen spiegelbildlich nachahmen kann.
  • Die Maus des Computers für Linkshänder umprogrammieren und auf der linken Computerseite platzieren.
  • Das Badezimmer nach Möglichkeit so gestalten, dass es auch für Linkshänder angenehm benützbar ist. So ist das Klopapier idealerweise mit beiden Händen erreichbar. Vorsicht: Bei Wasserhähnen mit zwei Drehverschlüssen führt die Benützung der linken Hand eventuell zu Verbrühungen.
  • Es sollten sich alle an der Erziehung eines Kindes Beteiligten über den Umgang mit der Linkshändigkeit einig sein. Unbedingt auch die Großeltern informieren, damit diese nicht - weil man das früher zum Wohle des Kindes so praktiziert hat - das Kind umerziehen.
  • Mit dem Kind möglichst über seine Linkshändigkeit sprechen und seine Persönlichkeit stärken. Auf diese Weise kann es negativen Bemerkungen und Kommentaren selbstbewusst standhalten.
  • Manche Linkshänder schreiben anfangs viele Buchstaben in Spiegelschrift. Das ist kein Grund zur Sorge oder gar ein Anhaltspunkt für Legasthenie. Das Kind wird sich sehr bald an die korrekte Schreibrichtung gewöhnen.

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