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Nägelbeißen (Onychophagie)

Kinderhand

Das Kauen an den Fingernägeln beginnt meistens im Kindesalter und verliert sich bei vielen Jugendlichen in der Pubertät. Einige Betroffene behalten diese Angewohnheit jedoch bis ins Erwachsenenalter bei. Bei Kindern wird das nervöse "Knabbern" auf eine Überbelastung des Nervensystems zurückgeführt. Es tritt in unterschiedlicher Intensität auf und zieht sich von zeitweiligen Kauen in Stresssituationen bis zu "ständigem" Kauen mit großen Abträgen der Nägel und der Haut.

Hintergründe des Nägelbeißens

Der Ausdruck Onychophagie setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern ónychos (Nagel) und phagein (essen). Damit bezeichnet der Begriff wörtlich das Essen der Nägel, also die Angewohnheit, an den Fingernägeln zu beißen. Auffällig ist, dass vom Nägelbeißen wesentlich mehr Kinder als Erwachsene betroffen sind. So kauen etwa 30 Prozent aller Kinder und nur 10 Prozent der Erwachsenen an ihren Fingernägeln. Bei Kindern tritt das Nägelkauen oft zum ersten Mal im Kindergartenalter und von einem Tag auf den anderen auf. Wie die Ursachen für das Nägelkauen ist allerdings auch der individuelle Verlauf dieser Angewohnheit sehr verschieden.

Die meisten Menschen beißen Nägel, wenn sie sich überfordert fühlen. Die kauende Person versucht dabei unbewusst die auftretende Nervenanspannung durch eine Ersatzhandlung abzubauen und sich hierdurch selbst zu beruhigen. Die Tätigkeit wirkt wie eine Trance oder Meditation als Ausgleichshandlung, in der das Gehirn versucht, sich für neue Anforderungen zu strukturieren.

Schlechte Angewohnheit oder psychische Störung?

Ein Kind das gelegentlich an den Nägeln beißt, ist noch kein Grund zur Sorge, denn hinter sporadischem Nägelbeißen liegt meist keine psychische Störung. Die Gründe hierfür können eine leichte Überbelastung oder auch schlicht Langeweile sein. Eltern sollten in diesem Fall am besten darauf verzichten, das Kind zu rügen. Dies erhöht den Stress für das Kind und verschlimmert so im ungünstigsten Fall das Nägelkauen nur noch. Am besten schenkt man dem Nägelkauen nicht übermäßig viel Beachtung, weil auch dies die Angewohnheit verstärken kann.

Problematisch hingegen wird es, wenn Kinder zwanghaft an ihren Fingernägeln beißen. Kaut ein Kind sehr häufig an den Nägeln, so dass diese stark abgebissen, blutig oder entzündet sind, sollten die Eltern hellhörig werden. Ein weiteres Warnsignal ist es, wenn das Kind mit dem Kauen nicht mehr aufhören zu können scheint.

Die Ursachen des Nägelbeißens ergründen

Wenn das Nägelbeißen in beschriebener kritischer Dimension auftritt, sollten Eltern versuchen den Ursachen für das Nägelbeißen auf den Grund zu gehen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn häufig können die Kinder selbst nicht benennen was ihnen Kummer bereitet oder möchten sich den Eltern aus Scham oder Angst nicht mitteilen. Am besten beobachten Eltern, in welchen Situationen das kindliche Nägelkauen auftaucht und suchen anschließend behutsam das Gespräch.

Mögliche Ursachen

    Die Gründe für Nägelkauen bei Kindern sind vielfältig und müssen daher immer individuell ergründet werden. So sind etwa die folgenden Auslöser denkbar:
  • Schockerlebnisse und andere psychische Traumata
  • Streitigkeiten zwischen den Eltern
  • Angst vor Bestrafung
  • Drogen- oder Alkoholprobleme der Eltern
  • Krankenhausaufenthalte
  • Überforderung im Schulalltag
  • Geburt eines Geschwisterchens
  • Spannungen in der Familie
  • Konflikte mit Gleichaltrigen
  • Mobbing in der Klasse
  • Eltern haben wenig Zeit für das Kind

Behandlungsmöglichkeiten für Nägelbeißen bei Kindern

Manchen Kindern hilft es bereits, wenn sie mit elterlicher Unterstützung die hinter dem Nägelkauen liegenden Probleme erkennen und formulieren. Nicht selten verschwindet damit bereits die Onychophagie. Daneben empfehlen sich zwei Strategien für Eltern, auf das exzessive Nägelkauen ihres Kindes zu reagieren:

Erstens können Eltern, haben sie die Ursache für das Nägelkauen erkannt, mit dem Kind gemeinsam an einer Lösung der problematischen Situation arbeiten. Wird ein Kind etwa in der Schule gemobbt, kann ein Gespräch mit der Klassenlehrerin oder der Schulpsychologin erste Verbesserungen einleiten. Leidet das Kind unter den Streitigkeiten der Eltern, empfiehlt es sich Konflikte nicht mehr vor dem Nachwuchs auszutragen. Fehlt dem Kind elterliche Aufmerksamkeit, kann die Planung regelmäßiger Eltern-Kind Zeiten helfen. In vielen Fällen verschwindet das Symptom des Nägelbeißens mit der Verbesserung der Situation, welche diesem zugrundelag.

Manche Ursachen lassen sich allerdings auch mit elterlicher Unterstützung nicht beseitigen. Des Weiteren können Eltern ihrem Kind negative Erfahrungen im Leben generell nicht immer ersparen. Darum empfiehlt es sich zweitens, das Kind beim Entwickeln besserer Verarbeitungsmechanismen für Konflikte und negative Gefühle zu unterstützen. Dabei können Eltern durch ein Auftreten als positives Vorbild schon viel erreichen. Oft stellt Bewegung oder Sport eine hilfreiche Stütze dar. Allerdings sollte das Kind zu körperlicher Betätigung nicht gezwungen, sondern besser animiert werden. Zu viel Druck vergrößert nur die seelische Anspannung des Kindes und verschlimmert dadurch vielleicht die Onychophagie. Erfolg versprechende Maßnahmen sind auch Entspannungstechniken, Yoga oder Meditation. Hierfür gibt es inzwischen spezielle Kurse für Kinder, aber auch Übungen die Eltern zu Hause mit ihrem Kind durchführen können. In manchen Fällen kann allerdings auch professionelle Hilfe, also etwa das Hinzuziehen eines Kinderpsychologen – nötig sein.

Daneben gibt es eine Reihe traditioneller "Therapieformen" wie Handschuhe tragen, Kunststoffnägel aufkleben oder das Auftragen eines übel schmeckenden "Nagellackes". Das sind allerdings nur Symptombehandlungen, die die Nervosität gar nicht oder nur in andere Bereiche verschieben. Negativ wirken sich auch Schimpfen oder die Androhung von Strafen aus. Hierdurch wird die Anspannung des Kindes nur vergrößert, was das Nägelbeißen verschlimmern kann.

Ende des Nägelbeißens in der Pubertät?

Da etwa jedes dritte Kind aber nur jeder zehnte Erwachsene Nägel kaut, müssen statistisch gesehen die meisten Kinder irgendwann in ihrem Leben mit dem Nägelbeißen aufhören. Tatsächlich verliert sich die Onychophagie sehr oft im Lauf der Pubertät. Das kann beispielsweise daran liegen, dass Jugendliche in dieser Zeit ein verstärktes Bedürfnis nach körperlicher Attraktivität entwickeln und hierdurch auf schöne und gepflegte Nägel mehr Wert legen.

Allerdings lautet eine mögliche Erklärung für die geringere Anzahl erwachsener Nägelkauer, dass Menschen mit dem Alter andere Ersatzhandlungen für Überforderung oder Stresssituationen entdecken. Hierzu gehören beispielsweise Alkohol oder Zigaretten. Liegt hinter dem kindlichen Nägelkauen eine psychische Störung oder ernstes Unvermögen negative Gefühle zu verarbeiten ist die Chance, dass diese Problematik mit der Pubertät einfach verschwindet gering. Stattdessen verlagert sich der Mechanismus des Nägelkauens möglicherweise auf andere Sucht- oder Zwangshandlungen. Von daher ist es von großem Vorteil, die Strukturen welche hinter dem exzessiven Nägelkauen liegen, schon in der Kindheit zu erkennen und zu behandeln.

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Kommentar von Yvonne |

Ich bin jetzt 34 und habe so lange ich mich erinnern kann immer die Nägel und die Haut abgekaut. Ich hatte fast immer schmerzende, blutige Finger. Auch ich bin ein Mitfühlender Mensch, den schnell mal was mitnimmt. Im Laufe der Jahre habe ich mich weiterentwickelt und auch das Nägelkauen ist weniger geworden. Ich habe nur noch 2 Nägel die ich "bearbeite" und auch nicht mehr so schlimm wie früher. Ich muss sie jedoch kurz tragen und jede Kante sofort abfeilen! Ich habe einen nach drm anderen so lange mit Pflaster zugeklebt, bis ich sie feilen könnte. Als Alternative habe ich mir angewöhnt mit einem Kugelschreiber herumzuspielen. Das hilft mittlerweile fast genau so gut.

Kommentar von Jakob |

Ich bin jetzt über 40 und kaue die Haut rund um die Fingernägel, seit ich mich erinnern kann. Mal mehr, mal weniger. Oft aber bis ich geblutet habe. Natürlich war mir das immer peinlich. Ich kann mir den Grund für diese Ungewohnheit noch immer nicht erklären.
Aber vor etwa einem Jahr habe ich festgestellt, dass ich nur mehr ganz selten kaute. Auch ohne ersichtlichen Grund wurde es so wenig, dass ich es heute als erledigt erachte. Ich kann diese Entwicklung nicht auf eine Veränderung in meinem Leben zurückführen, weil ich mir einer solchen nicht bewusst bin. Ich bin auch nicht ruhiger oder belastbarer... Ich bin nur froh darüber.
Jetzt suche ich aber in Foren wie diesem, weil ich meinem 10-jährigen Sohn helfen will - er kaut richtig seine ganzen Nägel ab. Ich befürchte, ich hab's ihm vererbt...

Kommentar von Fee |

Ja, auch ich bin im Erwachsenenalter leider immer noch davon betroffen. Zur Zeit ist es wieder besonders stark, ich kaue allerdings die Haut um die Nägel rundherum ab, also an den Fingern, auch mal da wo kein Nagel ist, aufhören kann ich oft erst wenn ich den Schmerz direkt fühle wenn es blutet. Meine Finger sehen zurzeit wieder nicht allzu toll aus, und schmerzen, nur leider kann ich absolut nicht damit aufhören, mache es unbewusst, und wenn ich das vermeiden will, beginne ich an den Lippen zu kauen. Der Grund ist bei mir zurzeit zu viel Stress und Überlastung, bzw. Probleme die nicht so leicht zu lösen sind. Ich bin dermaßen nervös im Moment, so dass ich fast nichts mehr esse und mich auf nichts konzentrieren kann, ein reines Nervenbündel,..., solange bis sich meine derzeitige Lebenssituation wieder etwas stabilisiert hat. ... Auch die von einer anderen Schreiberin erwähnte hohe Empfindlichkeit trifft bei mir ebenso zu. ....
Als Tipp kann ich nur empfehlen: dünne Baumwollhandschuhe zu tragen, zur Not kaue ich dann eben an den Handschuhen ;-/ ... und wenn es geht, viel Schlaf, bzw. frische Luft und Ablenkung - unter Leuten tut man es ja dann doch nicht so oft, bzw Konditionssport... am besten wärs natürlich die Probleme klären sich...!

Kommentar von Cookie |

Ich kenn Onychophagie nur zu gut. Bei mir hat es mit ca. 10 Jahren angefangen. Zuerst habe ich einfach nur einen Finger aus Langeweile im Mund genommen, da herumgeknabbert was ich ziemlich toll fand. Es ging immer so weiter, ich kann auch jetzt nicht mehr damit aufhören, es ist...zwanghaft,ich mache es zwar total bewusst aber ich kann es trotzdem nicht lassen,einmal die Finger vom Mund zu lassen. Ich denke eher,bei mir liegt kein psychisches Problem dahinter, warum ich das mache. Es hat eher mit einer schlechten Angewohnheit zu tun was jetzt aber ein Fingerkau-Syndrom ist. Ich hab mir auch schon seid wenigen Monaten über legt,einen Psychologen zur Rate zu ziehen

Kommentar von rcg |

Falls immer noch das Problem mit dem Nägelkauen besteht und es noch nicht ausprobiert wurde: in der Apotheke gibt es eine Nageltinktur. Vielleicht klappt es damit. Viel Glück!

Kommentar von hannah |

Ich beiße seit ich denken kann. Als ich vier Jahre alt war, haben sich meine Eltern geschieden. Seit dem Kaue glaube ich an den Fingernägeln. Jetzt bin ich zwölf und es belastet mich sehr. Ich schäme mich so sehr für meine Nägel, aber ich kann einfach nicht aufhören. Ich habe schon oft versucht aufzuhören, aber ich kann es einfach nicht. Kann mir nicht jemand helfen?

Kommentar von linda |

Ich habe dieses problem seit meiner Kindheit. Ich möchte aufhören damit, doch ich fange immer wieder damit an. Ich bin jetzt 25 und möchte, endlich gesunde gepflegte Fingernägel haben. Kann mir jemand tipps oder etwas empfehlen, damit ich endlich aufhöre Fingernägel zu kauen?

Kommentar von Mogli |

habe seit meiner frühesten kindheit mit derselben problematik zu kämpfen und ich muss mir eingestehen,dass ich als junger erwachsener nicht darüber hinaus bin. Als Kind vom Vater auf die "Marotte" aufmerksam gemacht, wurde mir auch bald bewusst, dass ich mit abgekauten Fingernägeln (speziell dem Daumen) zu Tische keine gute Figur zu machen schien und dadurch erhöhte sich leider der druck, der Normalität entsprechen zu wollen beträchtlich, was diesbezüglich wenig förderlich war. Ich mied Gesellschaften zu Tische, Essen mit Messer und Gabel, Kartenspiele wo zu mischeln war oder Tätigkeiten, wo Fingerfertigkeit vonnöten, wurde mir ein Graus. Also von mir kann ich mit einer gewissen Bestimmtheit sagen,dass psychosoziale Probleme den Auschlag gegen, mich von diesem Zwang nicht befreien zu können. Die Angst der Unausweichlichkeit des Versagens, der gegebene Minderwertigkeitskomplex, weiß der Teufel woher der kommt, ergeben eine zerstörerische Mischung im Hinblick auf ein geglücktes Bestehen in einer jeden Gesellschaft, in die einzutauchen mir doch große Wonne wäre.

Kommentar von Sarah |

Ich denke auch oft darüber nach, bei mir fing es an, als man mir mit Tinktur das Daumenlutschen abgewöhnt hat, was ich wohl zu lange aufrechterhalten hatte. Seitdem beisse ich die Nägel, man hört immer wie schrecklich es aussieht (eklig) und welche krankhaften Dinge und schlimmen Ursachen das Beissen hat (Vernachlässigung, Mobbing, zuviel Druck, Drogenprobleme der Eltern etc.). Aber ich kann nur sagen, dass mein Vater Nägel gebissen hat und jetzt - zu meinem Bedauern - auch meine beiden Töchter, meine 3 Söhne sind davon garnicht betroffen (?). Meiner Meinung nach spielt wohl auch eine gewisse Veranlagung eine Rolle. Ich mag es eigentlich nicht, mit erblicher Belastung zu argumentieren, aber mir scheint es doch eine gewisse Disposition (evtl. eine leichte Erregbarkeit/Labilität, Nervosität, Empfindlichkeit)zu geben, die es einem manchmal schwer macht, mit für den Normalo vielleicht als Herausforderung empfundenen Situationen klarzukommen. In mir zieht immer eine Empfindung von Versagensangst/Unerträglichkeitsgefühlen/ Ohnmächtigkeits- und Auswegslosigkeitsgefühlen auf, Nägelbeissen ist in dem Moment reine Spannungsabfuhr. Ich ärgere mich selbst, bin aber im Moment dann viel zu sehr in die Situation involviert und belastet um gleichzeitig Abstand zu gewinnen und mich selbst anders beruhigen zun können. Ebenso wie mein Vater habe ich mit dem Fernsehen Schwierigkeiten, spannende Filme (nervenzerrende Beziehungsgeschichten, Horror-Schreckfilme, Tragödien) sind für mich schier unerträglich, weil es mich tierisch mitnimmt, hilfreich ist da eine Nebenbeschäftigung beim Fernsehen (ganz schnell einen langen Schal stricken, oder fesselnde Geduldsspiele, Sudoku, die einen wirkungsvoll ablenken). Mich nehmen die Dinge einfach zu sehr mit. Beim Stottern gibt es ja auch so eine Disposition und auch das so schlimme Bettnässen hat hormonelle (u. damit auch familiär veranlagte) Ursachen. Ich wünsche mir mit dem Nägelbeissen aus dieser Psychoecke herauskommen zu dürfen, denn es ist weder elterlichen Drogenproblemen, Mobbing und schrecklichem Druck zu danken, sondern ich fürchte, dass diese Empfindlichkeit o. überwältigende Beeindruckbarkeit, was sich aber auch in Einfühlsamkeit und starkem Mitgefühl äußert, eine gewisse Veranlagung ist, die man als Kind, wenn man keine Hilfe bekommt, am leichtesten mit Nägelbeissen, weil es die Spannung abbaut, überstehen kann. Dennoch möchte ich es in diesem Leben noch einmal loswerden. Lange Nägel verändern die gewohnte Empfindsamkeit der Fingerspitzen und das wiederum macht mich ganz kribbelig. Ich beisse nicht bis es blutet (das muss schon selbstverletzendes Verhalten sein), es soll auch nicht weh tun, es geht nur um die Bewältigung des vertrackten Moments. Tinktur, künstliche Nägel, Autogenes Training - alles schon probiert - ohne Erfolg. Tja, so überlege ich, was ich nocht tun könnte....