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Einnässen / Enuresis
Einnässen – lateinisch Enuresis und umgangssprachlich oft Bettnässen genannt – ist laut der deutschen Enuresis Akademie die zweithäufigste chronische Krankheit bei Kindern. Allein in Österreich leiden rund 60.000 Kinder unter dem meist nachts auftretenden, unkontrollierten Urinverlust, berichtet der Club Mondkind, eine der österreichischen Anlaufstellen für Betroffene.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Enuresis als behandlungsbedürftige Erkrankung eingestuft, doch trotz der Definition als Krankheit und der großen Zahl an betroffenen Kindern gilt das Einnässen oft noch als Tabuthema, über das nicht gerne gesprochen wird. Tatsächlich muss das Problem aber thematisiert werden, nur so kann dem jeweiligen Kind auf schnellsten Weg die richtige Behandlung ermöglicht werden.
Was bedeutet Enuresis?
Bei Säuglingen verläuft der Harnabgang noch unbewusst und damit unkontrolliert, erst im Alter von etwa zwei Jahren entwickeln Kleinkinder ein erstes Bewusstsein für die Blasenaktivität. Frühestens zum vierten Geburtstag können sie ihren Blasenmechanismus vollständig kontrollieren. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, wenn Kinder bis zum Ende des vierten oder fünften Lebensjahres ab und zu einnässen.
Von Enuresis spricht man erst, wenn ein Kind im Alter von fünf Jahren oder darüber tagsüber oder nachts keine oder nur eine mangelhafte Kontrolle über den eigenen Urinfluss hat. Etwa 15 Prozent aller 5-Jährigen und fünf Prozent aller 10-Jährigen sind davon betroffen, unter Jugendlichen und Erwachsenen sind es immer noch ein bis zwei Prozent. Auffallend ist, dass Jungen doppelt so häufig darunter leiden wie Mädchen.
Man unterscheidet zwischen dem Einnässen in der Nacht (Enuresis nocturna) und jenem tagsüber, das heute oft als Harninkontinenz bezeichnet wird. Die nächtliche Form kommt am häufigsten vor, rund 80 Prozent der betroffenen Kinder nässen laut Club Mondkind nachts. Beide Formen können auch gemeinsam auftreten.
- Nächtliches Bettnässen im Alter von fünf Jahren oder darüber ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind
- mindestens zwei Mal pro Monat nachts einnässt
- sehr tief schläft und auch vom Reiz der vollen Blase nicht wach wird
- untertags trocken ist und
- meistens keine anderen medizinischen Ursachen oder Erkrankungen vorliegen
Zudem unterscheidet man prinzipiell zwischen primärem und sekundärem Einnässen. Das primäre Einnässen betrifft rund drei Viertel der unter Enuresis leidenden Kinder. Primäres Einnässen bedeutet, dass es seit der Geburt noch nie eine längere Phase (mehr als sechs Monate) gab, in der das Kind trocken war. Diese Form der Enuresis äußert sich meist als nächtliches Einnässen. Sekundäre Enuresis liegt dann vor, wenn ein Kind, das mindestens sechs Monate lang absolut trocken war, wieder einzunässen beginnt.
Ursachen
Die Ursachen und Hintergründe für Enuresis können sehr vielfältig und psychischer oder physischer Natur sein. Eine primäre Enuresis kann durch eine zu kleine Blase, falsche Trinkgewohnheiten oder Reifeverzögerungen von Nervenstrukturen, die die rechtzeitige Entleerung der Blase signalisieren sowie durch familiäre Veranlagung verursacht werden. Hat ein Elternteil früher selbst eingenässt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind darunter leiden wird bei 45 Prozent, waren beide Elternteile davon betroffen erhöht sie sich auf 75 Prozent.
Am häufigsten wird das primäre Einnässen aber durch eine zu geringe Produktion des antidiuretischen Hormons (ADH) verursacht, das den Wasserhaushalt steuert und die Menge des Harns in der Blase reguliert. Die ADH-Produktion pendelt sich normalerweise ab dem 2. bis 3. Lebensjahr langsam in einen Tages-Nachts-Rhythmus ein und sorgt so auch dafür, dass die Blase nachts nicht zu sehr gefüllt wird. Laut Österreichischer Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ist das ADH bei 80 Prozent der Fälle für Enuresis verantwortlich. Ein ADH-Mangel kann aber auch mit einer Aufwachstörung zusammenfallen, weshalb es den Kindern schwer fällt, trotz Harndrangs aufzuwachen.
Hinter einer sekundären Enuresis stecken dagegen oft Harnwegsinfekte oder psychische Probleme. Oft kann sekundäres Einnässen demnach eine Reaktion auf eine Konfliktsituation der Eltern untereinander oder auf Probleme wie Arbeitslosigkeit sein bzw. durch eine körperliche oder psychische Erkrankung eines Elternteils ausgelöst werden. Der Erziehungsstil der Eltern oder betreuender Personen (extreme Strenge und Härte, Lieblosigkeit, Über- oder Unterforderung, moralische Wertvorstellungen), der Tod eines Familienangehörigen, die Geburt von Geschwistern oder Probleme im Kindergarten oder der Schule können ebenso ein möglicher Auslöser sein. Zu beachten ist, dass das Einnässen psychische Probleme auch erst auslösen kann.
Was tun bei Enuresis?
Das Einnässen des Kindes stellt für viele Eltern immer wieder eine schwierige und teils belastende Situation dar. Doch es ist wichtig, dass Eltern ihr Kind nicht dafür bestrafen, denn es will vermutlich selbst am allerwenigsten, dass dies passiert. Kritik oder gar Bestrafung können die Symptome sogar noch verschlimmern. Eltern sollten ihren Nachwuchs stattdessen bestärken, offen über das Einnässen sprechen und ihm vermitteln, dass man gemeinsam an einer Lösung arbeitet. Der Hinweis, dass es nicht allein mit diesem Problem ist, sondern viele andere Kinder ebenfalls betroffen sind, kann auch hilfreich sein.
Neben dem Aufsuchen von ärztlichem Rat können Eltern zuhause darauf achten, dass ihr Kind vor dem Schlafengehen noch die Toilette benutzt, abends keine koffeinhaltigen Getränke wie Cola zu sich nimmt und der Großteil der Flüssigkeitszufuhr schon in der ersten Tageshälfte erfolgt. Trinken sollte in den Abendstunden jedoch nicht vollkommen verboten werden.
Für die Matratze im Kinderbett eignet sich ein Gummibezug bzw. eine Gummiunterlage, die das Säubern erleichtern. Wenn frische Bettwäsche und ein frischer Pyjama zum Wechseln bereitliegen, funktioniert das Saubermachen ebenfalls schneller. Ist das Kind alt genug, kann es beim Überziehen der Betten mithelfen. Hilfreich sind auch Einweg-Hosen mit Windelfunktion für die Nacht, die nicht wie Babywindeln aussehen und daher für größere Kinder geeignet sind.
Behandlungsmöglichkeiten
Selbst wenn laut der „Initiative Trockene Nacht“ jedes Jahr 13 bis 15 Prozent der betroffenen Kinder von selbst wieder trocken werden, sollte in jedem Fall ärztlicher Rat gesucht werden, wenn die beschriebenen Symptome des Einnässens zutreffen oder das Kind Beschwerden beim Wasserlassen hat. Weniger als ein Drittel der Kinder wird adäquat behandelt, betont der Club Mondkind, doch je länger die (richtige) Behandlung hinausgezögert wird, desto belastender wird die Situation für alle Beteiligten. Zudem müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.
Die Behandlung von Enuresis kann je nach Ursache sehr unterschiedlich ausfallen, insgesamt sind die Chancen auf Erfolg und somit auf ein weiteres Leben ohne Enuresis gut. Bei einem ersten Termin wird der Arzt die Symptome erfragen, das Kind untersuchen, eine Urinprobe nehmen und eine Ultraschalluntersuchung des Harntraktes vornehmen, um organische Probleme auszuschließen. Oft wird geraten, ein sogenanntes Blasentagebuch über einen bestimmten Zeitraum zu führen, in dem Eltern und Kinder gemeinsam trockene und nasse Tage bzw. Nächte vermerken können.
Bei einer verminderten ADH-Produktion wird in vielen Fällen eine Behandlung mit Tabletten durchgeführt, die über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten eingenommen werden müssen. Der darin enthaltene Wirkstoff Desmopressin ähnelt dem ADH und hilft dabei, die Menge des nächtlichen Urins zu vermindern. Eine Verbesserung ist schon in den ersten Tagen zu bemerken, trotzdem darf die Therapie nicht frühzeitig abgebrochen werden, da es sonst zu Rückfällen kommen kann.
Diese Behandlung wird manchmal mit einer Verhaltens- oder einer Alarmtherapie kombiniert. Die Verhaltenstherapie umfasst unter anderem die Motivation des Kindes, das Führen eines Blasentagebuchs und Blasentraining. Bei einer Alarmtherapie trägt das Kind nachts eine Art Klingelhose, die bei den ersten Tropfen ein Klingeln von sich gibt und das Kind auf diese Art weckt. So lernt es, auf die Signale seines Körpers zu achten und rechtzeitig aufzuwachen. Beide Therapieformen können auch einzeln angewandt werden, welche Methode am geeignetsten ist, muss mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
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